Rootvole


Ellen Kalwait-Borck

Klaus-Groth-Strasse 4
21244 Buchholz in der Nordheide
Tel.: 04181 - 923550
Mobil: 0171 - 6877306
Fax: 04181 - 923551
WWW: http://www.ellen-jakobsweg.de

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Mein Jakobsweg aus dem Gefühl der Wertlosigkeit.

Singend auf dem Jakobsweg.

Nach 2 monatiger Vorbereitung sitze ich nun im Flieger. Das einzige, was wirklich geplant ist, ist der Hin und Rückflug.

Ich sitze an einem Fensterplatz und bin aufgeregt und gleichzeitig ganz still. Endlich, das erste mal in meinem Leben kann ich weg, raus aus meinen alten Gewohnheiten, hinein ins Unbekannte. Ich habe noch 200,- € in meiner Tasche und mein Konto ist weitgehend leergeplündert. Ich bin gespannt wie weit ich damit komme. Es sind einige Gelder die ich erwarte noch nicht eingetroffen.

In Hamburg ist herrliches Wetter. Der Frühling ist schon seit ein paar Tagen im Anmarsch und hat mir die Abreise leicht gemacht.

Aber warum habe ich mich überhaupt auf den Weg gemacht? Was hat mich dazu gebracht gerade jetzt für 7 Wochen loszugehen, obwohl zu Hause sehr viel Arbeit auf mich wartet und so viel ungeregelt ist?

Das letzte Jahr war sehr krisenumwittert. Nach einer längeren Periode der Harmonie und erfolgreicher, erfüllender Arbeit erkrankte mein Mann an einer Hirnhautentzündung, so mal eben über Nacht. Er ist wieder völlig gesund, aber dennoch hatte es eine Unsicherheit in mein, endlich geregeltes, Leben gebracht. Ich war, mal wieder, in meinen Grundfesten erschüttert worden.

Aller Selbstwert, den ich mir mit meinen Talenten und Fähigkeiten aufgebaut hatte, zerbröselte nach und nach. Meine tiefstes Gefühl, wertlos zu sein, das ich schon überwunden glaubte, war wieder an die Oberfläche gekommen.

Ich fühlte mich absolut wertlos und konnte mir gar nicht mehr vorstellen das ich irgendetwas so mache, das es wirklich reicht.

Und ich konnte in mir einen dicken mächtigen Täter, wie der „Drache Mahlzahn“ aus der Geschichte von Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, wahrnehmen, der mir diese Suppe eingebrockt hat. Ich konnte wahrnehmen wie ich meine Mitmenschen geradezu wegbiss, aber ich konnte nichts dagegen tun. Es war total ambivalent, einerseits wollte ich geliebt werden und Anerkennung bekommen und gleichzeitig mache ich alles damit meine Mitmenschen das Weite suchen. Das habe ich auf eine gewisse Art und Weise früher immer so gemacht, aber damals habe ich es überhaupt nicht gemerkt, damals habe ich mich als Opfer gesehen und die Anderen waren Schuld. Jetzt war es anders, ich konnte genau wahrnehmen was ich da tue, aber noch nichts unternehmen, damit dieser Zustand aufhört.

So sah ich, wie eine Ebene nach der nächsten einbrach. Ich war immer wie ein Tausendfüßler, irgendein Bein hatte ich immer auf der Erde und jetzt hingen alle meine Beinchen in der Luft. Die Auftritte wurden weniger und weniger, das erste Weihnachten ohne ein einziges Konzert und fast keine Schüler mehr. Überall kriselte es, oder war zusammengebrochen.

Die einzige Bastion, die hielt, war meine Anstellung als Gesangslehrerin.

Eins war klar, ich brauchte Zeit für mich. Ich hatte 27 Jahre mehr oder weniger durchgearbeitet und war ganz unbemerkt in ein Burn-out gerutscht. Ich wurde immer depressiver und schlug mich mit einer, für mich bis dahin, noch ungefühlten Lebensmüdigkeit herum.

So konnte und sollte es nicht weiter gehen.

Mein altes inneres Überlebenssystem taugte nichts mehr und mit einem weiteren Flickwerk wollte ich mich nicht abgeben.

Ich bin seit etwa einem Jahr Mitglied in einer Solidargemeinschaft Namens Artabana. Dank ihrer Inspiration und finanziellen Rückendeckung habe ich Anfang Februar 2009, die Waffen gestreckt und aufgehört gegen meinen Zustand anzukämpfen, habe losgelassen. Ich nahm mir eine Auszeit von 4 Monaten, 2 Monate um irgendwie wieder zu Kräften zu kommen, in denen ich nur noch das machte, was auf mich zukam und 2 Monate für den Jakobsweg.

Eine Frau von Artabana brachte mich auf die Idee meine Freunde und Verwandte um Geldgeschenke zu bitten, um mir als vorwiegend Freiberufler diese Auszeit leisten zu können.

Da jeder von meiner Idee, den Jakobsweg zu gehen, begeistert war, hatte ich zu meinem Erstaunen, recht schnell ein Großteil der Gelder zusammen, die ich für meine Auszeit brauche.

Ich möchte an dieser Stelle all den Menschen sehr herzlich danken, die mich so großzügig unterstützt haben.

Ganz besonders mein Mann Peter, der mich bereitwillig hat ziehen lassen und meine Tochter Marlene, die sehr unter meiner Abwesenheit litt, aufs beste versorgt hat. Meine Artabanagruppe“Nordheide“, meinen Tanten Eike Höppner und Gunde mit ihrem Mann Joachim Sander, meinen Eltern, meinen Geschwistern, meiner Cousine Anne mit ihrem Mann Werner Schnauer, meinen lieben Freunden, Martina und Michael Biel, Martina Klüber, Barbara Will, Paul Stammeier, Karin Digia, Jonas Baumhauer, Irina Modersitzki, meinen Schülern, die den Unterricht durchbezahlt haben, obwohl ich 7 Wochen nicht da war u.v.a.

Ohne Ihre Unterstützung hätte ich die Erfahrungen, die ich in meinem Tagebuch beschreibe, nicht machen können. Ich möchte mich auch bei all denen bedanken, die mich auf unterschiedlichste Weise, Korrekturlesen, Gespräche, emotionaler Unterstützung, Zuspruch und, und, und, unterstützt haben.

Vielen, vielen Dank!!!

Meine innere, kleine Ellen, die immer weg wollte, auch weg in Form von nicht mehr leben, atmete immer mehr auf. Endlich frei, frei einfach in den Tag hineinzuleben, frei wirklich die eigenen Impulse zu fühlen. Wer war ich, bevor ich glaubte, so wie ich bin, verkehrt zu sein und mich für mein So-Sein schämen zu müssen?

Ich habe keine Ahnung was mich wirklich erwartet. Ich habe versucht meine Schuhe einzulaufen, aber nach einer Stunde tun mir schon die Füße weh. Ich bin noch nie gerne gelaufen. Reiten, Fahrrad fahren, tanzen, das ist alles wunderbar, aber laufen? Hinzu kommt, dass ich zu einer absoluten Stubenhockerin mit chronischem Bewegungsmangel mutiert bin. Na, mal sehen, wie das so wird. Werde ich es die ganzen 760 km zu Fuß schaffen? Darüber denke ich jetzt besser nicht nach.

Der Flug, Hamburg – Toulouse

Mich fasziniert die Technik, die Möglichkeit überall hinfliegen zu können, die vielen Stahlvögel, die alle paar Minuten kommen und gehen. Welch eine Erfahrung! Wie wünsche ich mir, dass dieser Luxus allen zur Verfügung steht, ohne dass es die Umwelt belastet.

So würdige ich die Erfahrung, weil ich weiß, dass das Opfer der Erde sehr groß ist.

Hamburg – Toulouse = 2 Stunden Flug, einfach so mal eben viele 100 km, in 2 Stunden, für meine 760 km habe ich 49 Tage eingeplant.

Die Erde sieht von oben aus, als hätten sich die Menschen alles eingeteilt und doch ist es ein großer zusammenhängender Teppich.

Im Himmel wird es auch schon eng. Rechts ein Flieger etwas tiefer und einer etwas höher. Und jeder Einzelne macht viel Dreck. Das, was wir Menschen gerade so machen, geht eigentlich wirklich gar nicht. Kaum einer meiner Mitreisenden kann das Wunder noch würdigen. Welch ein Luxus und auf welche Kosten!

Die Erde wirkt von hier oben so zerbrechlich, verwundbar und so unbeschreiblich schön, mit dem zarten Dunst, der sie heute umgibt.

Ich fühle mich von der Erde eingeladen zu leben, die Möglichkeiten zu nutzen, die sie uns gibt. Ich bin voller Dankbarkeit und Würdigung. Von hier oben kann ich fühlen, wie schwer die Last ist, den Menschen mit seinem Erfahrungshunger zu tragen.

Sie ist so geduldig mit uns, aber wie lange noch?

Wir fliegen 11 km hoch, mit einer Geschwindigkeit von 820 Kilometern in der Stunde, die Außentemperatur beträgt 55 Grad minus, teilt uns der Flugkapitän mit.

Gleich landen wir in Toulouse. Die Wolkendecke ist sehr dick, in Toulouse soll es regnen bei nur 10°. Ich habe glücklicherweise genug warme Sachen mit.

In Toulouse steige ich in einen Bus, der mich zum Hauptbahnhof bringt. Ich habe keine Ahnung, wie ich von hier aus weiterkomme. Am Schalter erfahre ich, dass ich nach Bajone muss und dass der Zug in 20 Minuten abfährt. Passt doch!

In Bajone steht ein sehr kurzer Zug abfahrbereit auf dem Gleis. Ich komme gar nicht auf die Idee dort einzusteigen, da ich einen so kurzen Zug noch nie gesehen habe und ihn im ersten Moment für einen etwas merkwürdigen Wartungszug halte mit denen die Gleise überprüft werden. Es steigen ausschließlich Menschen mit Rucksäcken dort ein, es ist also der Zug nach St.-Jean-Pied-de-Port. Die Menschen, die fast alle den gleichen Weg vor sich haben, sind aufgeregt, gut gelaunt und kontaktfreudig. Pilgerstimmung kommt auf.

Es ist eine entschleunigte Reise, 2 ½ Stunden Flugzeug, 4 Stunden Eisenbahn bis Bajone und eine Stunde mit dem Bummelzug bis St.-Jean-Pied-de-Port.

Ein großer Regenbogen empfängt mich, ich bin beeindruckt, was will ich mehr? Abends bekomme ich in einer schnuckeligen Herberge ein bequemes Bett und meinen Pilgerausweis. Hier ist es so wunderschön, auch wenn es ein wenig vor sich hinnieselt.

Ich bin zutiefst bewegt und gerührt. Die Menschen in meinem Zimmer sind sehr nett und ich fühle mich einfach nur pudelwohl.

Für weiter ausführliche Informationen besuchen Sie uns bitte auf unserer Homepage. Natürlich stehen wir Ihnen auch gerne persönlich zur Verfügung.